Interview in der neuen Backspin 96

Interview in der neuen Backspin 96
Bei der Backspin lesen hier klicken: backspin interview online

Flowin Immo
Die meisten Rap-Fans haben ihn längst nicht mehr auf dem Schirm. Warum auch, hören sich viele seiner Songs doch kaum mehr nach Rap an. Und doch muss man, hat man sich einmal genauer mit Flowin Immo beschäftigt, sagen: Hört euch seine Musik ruhig mal an. Der Mann ist im Zweifel mehr hip-hop als viele aktuelle Rap-Größen. Dazu kann er mit einer Historie aufwarten, die sich gewaschen hat. Anfang der 90er gründete er mit Ferris MC das Duo F.A.B., war, neben den Stieber Twins, Fettes Brot, den Massiven Tönen und vielen anderen Teil der legendären „Klasse von 95″ und produzierte in seinem Freakcave in Bremen die „Freaks“ –EP, die „Erich Privat“-EP und das leider nie erschienene F.A.B.-Album, das durchaus das erste wichtige Rap-Album des Landes hätte werden können. Hätte, wäre, würde – die Lorbeeren ernteten stets andere. Doch geht es um Originalität und Innovation, bleibt Flowin Immo weiter eine Adresse. Sein aktuelles Werk ist die EP „Jetzt“, die er über sein eigenes Label Immonopol veröffentlicht.

Immo, 2005 hattest du angekündigt, mit einem Wohnmobil in die Welt hinaus fahren zu wollen. Wo ist das Wohnmobil heute?
Das hat die galaktische Barbarella übernommen. Sie meldete sich per E-Mail. Nachdem der TÜV seit acht Monaten abgelaufen war, ich noch ein Parkticket in Berlin kassiert hatte und es deshalb zur Fahndung ausgeschrieben war, weswegen die Bullen bei meinen Eltern vor der Tür standen weil es dort angemeldet war, hatte ich das Ding in einer Halle abgestellt. Und da hat es die galaktische Barbarella gesehen. Sie mailte mich an und sagte, ich möchte gerne dein Mobil kaufen. Die wollte das so für Wagenbau-Wohnungsstyle benutzen, dafür reichte es auch noch, fürs Rumfahren war es dann halt einfach nicht mehr geeignet.

Wie Kilometer hast du mit dem Ding denn abgerissen?
Also so 20 000, 22 000 Kilometer habe damit in einem halben Jahr gemacht. Und das Ding fährt 80, mit treten auch mal 100, aber ich habe es wahrscheinlich zu sehr getreten.

Bist du alleine gefahren?
Ich bin viel alleine gefahren. Hier und da hatte ich auch Wegbegleiter, aber eher immer nur kurzfristig. Das war mein Wahnmobil. Ich bin hoch geflogen und habe mir einen Fluchtwagen gekauft.

Rückblickend: welche unvergesslichen Momente hat es dir beschert?
Zum Beispiel war geil, dass mir der zweite hintere Reifen auf dem Weg vom Weltjugendtag zur Nacht Digital 2005 nicht geplatzt ist. Das war eine Doppelbereifung, einer ist mir nicht geplatzt, einer schon. Ansonsten einfach der ein oder andere Sonnenaufgang auf dem Meltfestival 2005. Es war großartig, da so ein Mobil zu haben. Auf dem Splash! 2005 war es auch gut. Aber den einen Moment habe ich nicht. Die Fahrt von Berlin nach Wien war sehr intensiv. Da habe ich mich gefragt, warum zieht das hier so? Und dann habe ich mich umgedreht, durch den Bus geguckt und hinten war halt eine Klappe auf. Und ich hatte hinten Technik drin und so weiter.

Und jetzt hast du deinen festen Wohnsitz wieder in Berlin?
Ja, ich wohne in einer Hip-Hop-WG, unter anderen mit Gadget aus Köln. Das ist eine dreier-WG, und da habe ich jetzt auch mein Studio. Die ersten drei Berlin-Jahre war meine Schlafgelegenheit ja im Studio, nun ist es wieder umgedreht. Jetzt ist das Studio wieder in meinem Schlafzimmer.

Auf der Bühne stehst du inzwischen ja mit deiner Band. Im Studio aber bleibst du weiter der Einzelkämpfer?
Die Zeitfenster sind eher unterschiedliche gewesen. Sprich, ich hatte schon einen Großteil der Songs Ende 2006, Anfang 2007 fertig. Da wusste ich, okay, das und das soll eigentlich für das Album sein. Und dann haben wir 2007 auch mit der Band eine Probe- und Aufnahmewoche eingeschoben und der Gedanke kreuzt mir jetzt auch wieder durch den Kopf. Ich habe die Produktion dann eben selbst gemacht. Da sind auch Live-Instrumente bei, aber es ist eben eher eine elektronische Produktion, teilweise mit Samples, aber eben nicht als Band live komplett eingespielt. Nun werde ich das Album „Immoment“ in meinem Produktionsstyle bald abschließen und dann sehr bald mit der Band die restlichen Stücke von dem neuen Album einstudieren und dann das Album in einem Rutsch komplett mit Band aufnehmen, damit das auch irgendwie noch mehr miteinander zu tun hat, was wir auf der Bühne machen und was man als CD mitnehmen kann.

Eine Zeitlang hast du auch für andere produziert. Der Spezializtz-Hit „Kennst Ja“ geht auf dein Konto. Warum hast du das nicht weiter verfolgt? Auf dem aktuellen Spezializtz-Album bist du nicht dabei.
Das war es irgendwie ein Kommunikationsflop. Das haben wir nicht auf die Kette gekriegt. Die Produzententätigkeit für andere ist eine interessante Sache, die wahrscheinlich auch wieder kommt bei mir, aber ich war die letzten Jahre dann einfach sehr damit beschäftigt, zu gucken, wie ich einen anderen Weg finden kann, Musik zu machen und die auch öffentlich zu machen, ohne auf diese komischen Geschäftsstrukturen zurückgreifen zu müssen, mit denen ich schlechte Erfahrungen gemacht habe.

Komische Geschäftsstrukturen?
Label-Strukturen, wie die Leute im Netzwerk zusammenarbeiten, welcher Promoter in welcher Sendung seine Inhalte platzieren kann, wo ich als kleines Label dann eben wieder gegen die Wand renne.

Jetzt hast du mit Groove Attack aber ja trotzdem einen ganz normalen Vertrieb. So anders ist der Weg da ja nicht …
Bis zum Vertrieb ist der Weg ein anderer. Ich habe die optimale Lösung noch nicht gefunden, wie ich die Leute, die es interessiert, was ich mache, erreiche.

Funktioniert das nicht, indem du dir deine eigene Insel schaffst, mit Website, Webshop und den Videos, die du bei YouTube hochlädst?
Ja, für manche Leute schon. Aber viele Leute, die da irgendwie darüber stolpern, meinen: Ey, was, dich gibt es noch? Von dir habe ich jahrelang nichts gehört. Von mir gab es jedes Jahr was zu hören, man muss nur einmal Flowin Immo in die Suchmaschine eingeben und schon kann man es herausfinden, aber man kriegt mich halt nicht öffentlich gegen den Kopf geknallt mit Ansagen wie: hier „Das nächste große Ding“ oder wie auch immer der Slogan dann ist.

Deine Musik ist sehr vielfältig, mal machst du Funk, dann Reggae und dann wieder was anderes. Gibt es eine Sparte, in der du dich siehst oder bist du soweit zu sagen, du hast deine eigene Richtung? Auch im Hinblick darauf, ein bisschen besser an die Leute rankommen. Es wird ja viel in Genres gedacht.
Ja, voll. Da habe ich jetzt auch schon wieder komplett dran vorbeigeschossen, sprich auf der Platte habe ich fünf unterschiedliche Arten von Musik. Ich mache das, was mir Freude oder Leid bereitet und was dann irgendwie Sinn macht. Dass ich diesen Hip-Hop-Stempel auf der Stirn habe, der für viele Menschen, die das eigentlich auch interessieren könnte und sollte, ein Stoppschild ist, das ist in der Tat ein Problem.

Während vielen Rap-Fans denken, du bist mit deiner Musik schon wieder zu weit weg.
Die denken sich: ÄÄÄhhhh, was ist denn da los, ja. Insofern sitze ich sehr solide zwischen den Stühlen und ich habe sie jetzt einfach noch ein bisschen weiter auseinander geschoben.

Siehst du dich überhaupt noch im Hip-Hop-Genre?
Das kommt auf die Hip-Hop-Definition an. Vieles von dem, was heute immer noch auf „yeah, wir sind Hip-Hop“ abgeht – da kann ich nur sagen: Was seid ihr denn für Rap-Vögel? Ja oder noch nicht mal Vögel, sondern Rap-Faschisten. Es ist einfach öde, wie es zu einer hodenlastigen Monokultur geworden ist, wo jeder erzählt, dass er der Härteste oder Geilste ist und das geht ja auch schon seit Jahren so und ist auch öde, sich darüber zu unterhalten. Hip-Hop ist für mich ein Miteinander-Bewusstsein und nicht ein Gegeneinander. Es hat natürlich die Competition-Komponente, dass man sich miteinander misst, um den besten Weg zu finden, aber das ist irgendwie verloren gegangen oder hat Raucherpause. Die Community muss draußen rauchen.

Das könnte am Geld liegen, was heute viele im Hip-Hop verdienen wollen.
Ja, dadurch ist es aber auch was anderes geworden als früher. Da war die Kohle nicht wichtig, weil wir alle irgendwie noch zuhause versorgt waren und da was anderes gesucht haben, einen Ausdruck, ohne über die Kohle nachzudenken oder um sich abzugrenzen, zu sagen: Ey, ihr rennt alle der Kohle hinterher. Eigentlich geht es um was anderes. Ja, heute ist es irgendwie verdreht. Wenn man eh die ganze Zeit nur von Geld rappt, kann man auch eine Bankerlehre machen.

Wie blickst du heute auf die alte Zeit? F.A.B. war eine der ersten Gruppen mit einem Major-Deal. Denkst du manchmal, was wäre wenn?
Mit „was wäre wenn“ war ich irgendwann durch. Ich werde immer wieder damit konfrontiert, weil Menschen auftauchen und sagen: Ey, damals F.A.B. und so, die mich damit konfrontieren, dass das in deren Leben stattgefunden hat. 2005 habe ich um die alten Aufnahmen gekämpft und sie mir zurückgeholt. Und nun war ich wieder mit meinen eigenen Sachen beschäftigt und habe es noch nicht vollbracht, das Zeug, wie damals geplant, 2005 zum 10-jährigen Jubiläum der „Freaks“-EP rauszubringen. Und dieses Jahr, zum 13-Jährigen, schaffe ich es auch nicht ganz.

Die kompletten alten Songs, auch mit den Ferris-Parts?
Ja, natürlich.

Der ist down damit?
Das Gespräch hat noch nicht stattgefunden. Ich habe das schon angerissen und sein größtes Interesse ist es nicht, aber wenn dabei Geld rauskommt ist er dabei.

Der Name deiner Band Les Freaqz ist auch eine Anspielung auf alte Zeiten, oder?
Ja. Den schreibt man aber nun qz, wie die Frequenzen, die mit mir schwingen. Ich war vorher freaky unterwegs, deswegen gab es dann auch diesen Namen, als ich aus den Staaten wiederkam nach meinem Austauschjahr. Da war ich irgendwie der Freak und so geht das für mich halt auch weiter. Heute geht es aber weniger um den Freak sondern um eine Schwingung, um einen Moment, um ein Bewusstsein, um einen eigenen Weg, um einen freien Weg, statt einem ausgetrampelten Pfad hinterherzulatschen.

Noch mal zum was-wäre-wenn-Thema: Du hast mit der Sam Ragga Band zwei Stücke auf deren Album gehabt. Da hätte doch auch mehr draus werden können.
Ich habe ein paar Konzerte mit denen gespielt. Allerdings war ich zur Zeit ihrer ersten Tour in Thailand. Und als ich wiederkam, hatten sie sich schon mit ihrem Besteck so eingegroovt, dass sie so auch weiterspielen wollten.

Worauf ich hinaus will ist, dass du schon sehr früh die Reggae-Komponente in deiner Musik hattest. Dann kam Jan Delay mit der Sam Ragga Band und auf einmal war er derjenige, mit dem das assoziiert wurde. Und um noch einen Schritt weiter zurückzugehen, könnte man die These aufstellen, dass F.A.B. die erste deutsche Rap-Gruppe mit einem großen Album hätten werden können.
Mit dem Funk ist das jetzt wieder so.

Was ist los? Bist du immer irgendwie einen Schritt zu früh und dann wiederum einen zu spät? Warum geht das bei dir nicht mal richtig groß los?
Ich wehre mich anscheinend erfolgreich genug gegen die Strukturen, die es im Endeffekt ermöglichen. Da sind dann Firmen im Backround, die das Ganze auf eine Bühne stellen, die entsprechende Assoziation bei den Menschen wecken. Dann hören sie sich das an, alle anderen hören sich das auch an und dann sagt man gemeinsam: joa, ist ja ganz nett. Oder man plappert das nach, was geschrieben wird. Und das glauben dann alle, und dieses eigentliche Gefühl, worum es dabei geht, haben sie gar nicht erlebt. Und das ist eben auch ein Problem meinerseits: Dass die Mucke, die ich mache, die Texte, die ich schreibe, das Erlebnis, worum es geht, vielleicht nur für 20 Prozent der Menschen überhaupt greifbar ist. Das wären schon viele, von den 20 Prozent kriegen es aber wenige mit. Also muss man die Schnittmenge vergrößern. Ob es bei mir mal dick abgeht, wird sich zeigen. Ich habe auf jeden Fall Freude an der Sache, die ich mache und natürlich wäre es großartig, hätte ich ein größeres Stammpublikum.

Wie wird es jetzt weitergehen?
Ich habe mir gedacht, bevor ich jetzt wieder ein Album rausbringe, das keiner mitkriegt, bringe ich mal eine EP raus mit fünf Songs, die verschieden sind, um zu gucken, wie die Menschen das aufnehmen, wenn ich wieder so einen Mix anbiete und mich nicht auf eine Richtung festlege. Und ich muss zusehen, dass ich Kanäle geöffnet kriege, dass Leute das auf dem Tisch haben. Auch wenn sie sagen: nee, ist ne EP, darüber berichte ich nicht. Aber dann haben sie den Namen wieder gesehen. Weiter ist mein Plan, Acappellas zur Verfügung zu stellen für einige Leute, die Remixe machen. Dann kann ich das noch mal in einer gepimpten Version mit Remixen und Videos veröffentlichen. So verschieße ich das Albumpulver nicht und habe vor allen Dingen noch die zeitliche Möglichkeit, die nächste LP mit der Band aufzunehmen. Dann kann ich beide Versionen gemeinsam rausbringen. Einmal die LP alleine von mir produziert und dann die Songs mit der Band.

Spielst du auch mit dem Gedanken, doch mal ein Album aufzunehmen, das stilistisch in nur eine Richtung geht?
Das kann ich mir gut vorstellen. Das wäre dann aber die Variante, dass ich mit einem Produzenten zusammenarbeite, der musikalisch verantwortlich ist. Der die Federn führt und ich mich um die Texte, Melodien und die vokale Darbietung kümmere.

Was meinst Du dazu? Schiess los!

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.